Jugendherberge insolvent – In der idyllischen Landschaft Hessens, unweit des malerischen Edersees, geht eine Ära zu Ende. Die Jugendburg Hessenstein, Hessens älteste Jugendherberge, muss nach 102 Jahren ihre Pforten schließen. Diese Nachricht erschüttert nicht nur die lokale Gemeinschaft, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, denen sich der Jugendtourismus in Deutschland gegenübersieht.
Seit ihrer Eröffnung im Jahr 1922 war die Jugendburg Hessenstein ein beliebtes Ziel für Schulklassen, Kinder- und Jugendgruppen. Die ehrwürdigen Mauern der Burg in Vöhl-Ederbringhausen haben Generationen von jungen Menschen beherbergt, ihnen unvergessliche Erlebnisse beschert und einen Hauch von Geschichte vermittelt. Doch nun hat die „Jugendburg Hessenstein gGmbH“, die das Haus seit 16 Jahren betreibt, Insolvenz anmelden müssen.
Geschäftsführer Berthold Langenhorst erklärt die Gründe für diesen schweren Schritt: „Die Buchungszahlen sind dramatisch eingebrochen. Wir erreichen nur etwa zwei Drittel der Buchungen, die wir benötigen, um kostendeckend zu arbeiten.“ Er sieht die Ursachen in den Nachwirkungen der Inflation und der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit. „Die Menschen sparen zuerst im Bereich Freizeit. Ihren Jahresurlaub machen sie noch, aber Wochenendausflüge fallen oft weg.“
Besonders betroffen sind spezielle Nutzergruppen der Jugendherberge. Kirchengemeinden stornieren Buchungen aufgrund zu geringer Teilnehmerzahlen, und selbst die sonst so treuen Mittelalter-Rollenspielgruppen finden nicht mehr genügend Interessenten. Nur die Schulklassen bleiben der Burg treu, können aber den Rückgang allein nicht auffangen.
Trotz der Insolvenz soll der Betrieb vorerst bis zum Herbst 2024 fortgeführt werden. In der Zwischenzeit laufen Gespräche mit dem Land Hessen, dem Eigentümer der Burg, über die zukünftige Nutzung und einen möglichen neuen Pächter. Die Hoffnung, dass die historischen Gemäuer auch in Zukunft junge Menschen beherbergen werden, ist noch nicht ganz erloschen.
Die Geschichte der Jugendburg Hessenstein ist geprägt von Wandel und Anpassung. Regelmäßige Renovierungen und Umbauten hielten das Haus über die Jahrzehnte attraktiv. Selbst eine vorübergehende Schließung im Jahr 2007 aufgrund von Brandschutzauflagen konnte überwunden werden. 2008 wurde die Burg vom Naturschutzbund Hessen, dem Landkreis und der Kreishandwerkerschaft Waldeck-Frankenberg wiedereröffnet. 2012 folgte die Einrichtung einer Jugendbildungsstätte mit Fokus auf Natur, Handwerk und Mittelalter.
Die Schließung der Jugendburg Hessenstein ist symptomatisch für die Herausforderungen des Jugendtourismus. Der Wandel im Reiseverhalten junger Menschen, die Konkurrenz durch alternative Übernachtungsmöglichkeiten und steigende Betriebskosten bei gleichzeitigem Preisdruck setzen traditionelle Einrichtungen unter Druck. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, zu modernisieren und dennoch den historischen Charakter zu bewahren.
Für die Region bedeutet die Schließung nicht nur den Verlust eines nostalgischen Wahrzeichens, sondern auch wirtschaftliche Einbußen. Arbeitsplätze gehen verloren, der Jugendtourismus in der Edersee-Region wird einen Rückschlag erleiden, und möglicherweise wird auch das Image des Standorts leiden.
Die Zukunft der Jugendburg Hessenstein ist ungewiss. Doch ihr Schicksal unterstreicht die dringende Notwendigkeit, neue Konzepte für Jugendherbergen im 21. Jahrhundert zu entwickeln. Es bleibt zu hoffen, dass innovative Lösungen gefunden werden, um solche historischen Orte zu erhalten und gleichzeitig den sich wandelnden Bedürfnissen junger Reisender gerecht zu werden.